Heilbronner Straße, Stuttgart

DAS Entrée vom Norden in die Stadt, die legendäre Heilbronner Straße aka B 27: eine Mischung aus 4,5 Kilometer baulicher Anmaßung, Ödnis, Hässlichkeit und steppenhafter Gestaltlosigkeit. Allerdings ist hier nicht so sehr das einzelne Gebäude das Problem, sondern die grundsätzliche Planlosigkeit, die hier Ausdruck erhalten hat. Diese an sich bedeutende Straße, die sie in städtebaulichem und stadtstrukturellem Kontext ja ist: eher Einfahrtschneise als Straße.

Städtebauliche Kakophonie und banale Unordnung.

Ein paar Ausnahmen im trostlosen Nichts gibt es, die aber nicht zu einer städtebaulichen IDEE zusammenfinden: Dazu bedürfte es planerischer Absicht und eines Willens zur Gestaltung, den es in Stuttgart nicht gibt. Zum Beispiel ein kaprioliges Bürogebäude (fertiggestellt 2009) gegenüber des sogenannten Europaviertels, und die St. Georgskirche (Architekt: Hugo Schlösser, fertiggestellt 1930) auf Höhe des Pragfriedhofes. Das Bürogebäude passt mit der modischen Fassade überall hin und nirgends, ist also an diesem Ort genau richtig. Ein gutes Beispiel dafür, dass das “Solitäre, das Auffällige, Extra-Ordinäre (…) Planlosigkeit ersetzen, das Ordinäre übertönen” soll (R. Ostertag): der Bilbao-Effekt. Die Kirche ist monumental oder “würdevoll erhaben”, wie manche meinen, innen elegant und hat bis heute leider anstelle des ursprünglichen kupfernen flachen Daches über dem Kirchenschiff ein Nachkriegsziegelzeltdach. Vielleicht deshalb wirkt der Bau (oder doch eigentlich nur das Dach) sonderbar verschroben.

Direkt neben dem modischen Haus befindet sich eine der hervorragendsten baulichen Monstrositäten Stuttgarts, das GENO-Haus (Architekten Kammerer und Belz, fertiggestellt 1972). Vielleicht auch ein “frühes Beispiel der städtebaulichen Neuorientierung Mitte der 70er Jahre”? (so das Architekturbüro über sein “Quartier Calwer Straße”, das zur Zeit – Stand Sommer 2022 – bis auf die Passage bereits schon wieder ersetzt worden ist.) Laut Ansicht des Betreibers ist es “der attraktive Rahmen für Ihre erfolgreiche Veranstaltung“. Herzlich willkommen im BlaBlaLand. Das GENO-Haus ist ein hermetischer, autistischer Mordskasten, sozusagen “Stuttgarter Barock”. Man schließt die Augen davor und wünscht sich, er wäre verschwunden, wenn man die Augen wieder öffnet. Leider ist er dann immer noch da. Man kann von drinnen wahrscheinlich schön hinausschauen. Zugutehalten muss man den Planern die Absicht (?), die Topografie der Stadt sozusagen im Gebäude unterzubringen. Man hat terrassiert und drauf ein Bergle gesetzt. Mit 65 Metern Höhe ist es sogar noch höher als der großartige Tagblatt-Turm, das erste Sichtbetonhochhaus in Deutschland, erbaut Ende der 1920er Jahre.

Einige Kilometer weiter befindet sich der “Pragsattel”, ein Verkehrsverteiler mit Hochbunker als Reklameträger und Temperaturanzeiger. Weiter stadtauswärts folgt dann die sogenannte Automeile mit Autoverkaufshäusern links und rechts der Straße. Hier ist die Stadt dann vollends Gewerbegebiet.